
Interview mit Moritz Schmid Pilzcoach
Kannst Du Dich kurz vorstellen?
Mein Name ist Moritz Schmid, ich bin 45 Jahre alt und komme ursprünglich aus Hamburg, lebe jetzt nach 15 Jahren Neukölln bei Berlin in Brandenburg. Von Beruf bin ich gelernter Werbefotograf. Viele Jahre habe ich die ganze Welt bereist – fast 80 Länder durfte ich sehen – und in Städten wie Los Angeles, Kapstadt oder Paris gelebt. Ich habe für die größten Marken Europas gearbeitet und eine steile Karriere in der Werbefotografie gemacht. Vor rund fünf Jahren habe ich mich dann entschieden, meinem Herzen zu folgen, und widme mich seither ausschließlich meiner großen Leidenschaft: den Pilzen. Heute bin ich ausgebildeter Kursleiter für Waldbaden, Pilz-Coach und Pilz-Sachverständiger der Deutschen Gesellschaft für Mykologie.

Wie kamst Du zur Mykologie und was heißt das bitte?
Mykologie ist im Grunde nichts anderes als die Pilzkunde. Das Schöne daran ist, dass sie nicht nur Wissenschaftlern vorbehalten ist – auch interessierte Laien und Hobby-Mykologen wie ich finden darin ihren Platz. Für mich war der Wald schon immer ein besonderer Ort: ein Rückzugsraum, ein Kraftort, an dem ich Ruhe finde und auftanken kann. Schon als Kind war ich viel draußen – mit meinen Eltern, aber auch als Pfadfinder – und das hat mich stark geprägt. Später, mit Anfang zwanzig, als ich von mehreren Kunsthochschulen abgelehnt wurde, war es wieder der Wald, der mir Trost gespendet hat. Auch in schweren Momenten, etwa als meine Großeltern gestorben sind – zu denen ich über die Pilze eine tiefe Verbindung hatte , bin ich immer wieder in den Wald gegangen. Und irgendwann ist es dann einfach passiert: Man stolpert über Pilze, man fängt an, genauer hinzusehen – und so kam es, dass ich mich mit Anfang zwanzig ernsthaft für sie zu interessieren begann.
Was genau sind die Herausforderungen beim Pilzen sammeln und hast du einen Lieblingspilz?
Im Berliner Raum ist die größte Herausforderung tatsächlich der Andrang. Man muss früh aufstehen, um die guten Pilzplätze noch für sich zu haben. Es sind einfach sehr viele Menschen unterwegs – was ich einerseits schön finde, weil es zeigt, dass viele die gleiche Ruhe und Kraft im Wald suchen wie ich. Meine persönliche Herausforderung ist aber eine andere: mich immer wieder daran zu erinnern, dass in der Langsamkeit der eigentliche Wert liegt. Es geht nicht darum, mit einem vollen Korb nach Hause zu gehen, sondern darum, den Moment zu genießen und sich fallen zu lassen. Dazu kommt bei mir natürlich noch der Druck, abliefern zu müssen. Ich habe mit IntoTheWoods einen sehr erfolgreichen Instagram-Kanal und leite regelmäßig Kurse. Da erwartet man von mir, dass ich Pilze finde, Wissen weitergebe und ein Erlebnis schaffe. Die eigentliche Kunst ist es deshalb, sich Freiräume zu schaffen – Zeiten, in denen ich ganz für mich allein im Wald sein kann. Dort darf es dann nicht ums „Abliefern“ gehen, sondern nur ums Genießen des Augenblicks.
Einen einzigen Lieblingspilz habe ich nicht – höchstens eine persönliche Top 20, die sich je nach Jahreszeit verändert. Gerade jetzt im Herbst faszinieren mich die Krausen Glucken (Sparassis crispa): geschmacklich fantastisch und optisch ein echtes Naturwunder. Im Frühling ist es die Morchel (Morchella), im Sommer der Pfifferling (Cantharellus cibarius). Aber für mich zählt nicht nur der Geschmack – viele Pilze liebe ich vor allem wegen ihrer außergewöhnlichen Erscheinung. Da wären etwa die amethystfarbene Wiesen-Koralle (Clavaria zollingeri), die streng geschützten Saftlinge (Hygrocybe), oder der Igelstachelbart (Hericium erinaceus), der wie ein kleines Kunstwerk der Natur wirkt. Solchen Formen und Farben kann ich mich kaum sattsehen.


Was sind deine aktuellen Projekte und was hast du in Zukunft noch geplant?
Im Moment arbeite ich an mehreren Dingen parallel. Gerade habe ich eine neue T-Shirt-Kollektion herausgebracht, mit Backprints und starken Pilz-Motiven – das macht mir Spaß, weil es meine Leidenschaft auch auf eine künstlerisch-modische Ebene bringt. Ein großes Projekt ist außerdem mein neues Kochbuch. Darin stehen Pilze das ganze Jahr über im Mittelpunkt – nicht als Beilage, sondern als Hauptdarsteller. Mir geht es darum, sie endlich aus ihrem Schattendasein zu holen und zu zeigen, wie vielfältig und spannend sie in der Küche sein können. Das Buch erscheint 2026 beim DK Verlag, und ich bin überzeugt, dass es etwas richtig Besonderes wird.
Und dann ist da natürlich noch meine Kunst. Da habe ich gerade für mich ein neues Level unlocked: Ich arbeite verstärkt mit Schimmelpilzen. Für mich geht es dabei um mehr als nur Optik – es spiegelt den Kreislauf der Natur wider, in dem auch der Verfall seinen festen Platz hat. Ich sehe darin nichts Abstoßendes, sondern etwas Kraftvolles und Schönes. Genau das reizt mich: dass Pilze nicht nur für Genuss und Lebendigkeit stehen, sondern auch für Transformation.
Uns verbindet nicht nur die Liebe zu Wald und Natur - auch unsere Slogans sind sehr ähnlich - was bedeutet IntoTheWoods für dich?
IntotheWoods heißt für mich: wirklich eintauchen in den Wald. Die zivilisierte, menschgemachte Welt da draußen mal vergessen, das Handy ausschalten, nicht mehr wissen, wo man ist. Einfach treiben lassen, sich verlieren – und wieder wie ein Kind kleine Dinge feiern: am Moos riechen, Vögel hören, Tiere beobachten. Es geht darum, sich so in die Atmosphäre einzufügen, dass man selbst Teil des Waldes wird, ohne ihn zu stören.
Dann spürt man, dass man wieder Teil des Ganzen ist – des Kosmos – und gleichzeitig auch mehr bei sich selbst ankommt. In unserer heutigen Welt wird das nämlich immer schwerer. Wir sind permanent übersättigt von Reizen, von Filtern, von dem Druck, ständig etwas darstellen zu müssen. Im Wald fällt all das weg. Da geht es nicht ums Judgen, da geht es nicht ums Perfekte – man darf einfach so sein, wie man ist. Und genau das ist für mich Into the Woods: Freude empfinden, staunen wie ein Kind und vielleicht auch mal heimlich einen Baum umarmen.

Wie verdienst Du Dein Geld?
Ich habe verschiedene Standbeine. Zum einen gebe ich Workshops, außerdem verkaufe ich meine Kunst und mein Merch – also vor allem Kleidung. Dazu bin ich als Speaker unterwegs, trete in Museen auf und gestalte Veranstaltungen. Ich arbeite auch als Kursleiter für Waldbaden. All diese Säulen zusammen machen am Ende mein Einkommen aus. Zusätzlich baue ich meinen YouTube-Kanal weiter auf. Da kommt schon ein bisschen Geld rein, aber es ist noch nicht die große Einnahmequelle – das soll sich in Zukunft aber ändern.
Was macht Dich glücklich?
Glücklich machen mich vor allem Wald und Bäume – und die Ruhe, die ich dort finde. Für mich sein zu können. Zeit mit meinen liebsten Freunden und meiner Frau zu verbringen. Nicht ständig getrieben oder gestresst zu sein, niemandem gerecht werden zu müssen, sondern einfach nur sein zu dürfen. Genau das macht mich glücklich.
Wie sieht ein typischer Tag im Leben von Moritz Schmid aus?
Ich stehe meistens ziemlich früh auf – oft noch vor Sonnenaufgang. Dann erledige ich kurz ein paar Dinge am Computer, beantworte E-Mails, und schaue, dass ich möglichst schnell in den Wald komme. Gerade am Morgen ist die Stimmung dort für mich am allerschönsten. Ich drehe eine Runde, lasse mich treiben, sammele vielleicht ein paar Pilze. Zurück zu Hause mache ich oft ein Flatlay aus den gefundenen Dingen. Danach sitze ich wieder am Rechner: Mails, Bildbearbeitung, Layouts, Telefonate – ich bin unheimlich viel im Austausch mit Menschen. Dazu kommen die ganz praktischen Dinge: Pakete packen, Bestellungen bearbeiten, Interviews geben, Termine koordinieren. Eigentlich müsste ich mich gerade in der Pilzsaison manchmal klonen, um alles zu schaffen. Ich bin ein ziemlicher Tausendsassa und habe viele verschiedene Baustellen parallel. Oft habe ich das Gefühl, an einem Tag so viel wegzuschaffen, wie andere in einer Woche erledigen. Das macht mich zu einem High-Performer, bringt aber auch ordentlich Druck mit sich. Mein Rhythmus ist trotzdem stark vom Wald geprägt: Ich stehe früh auf und gehe auch früh ins Bett, meistens gegen elf. Und wenn Zeit bleibt, gehe ich abends noch aufs Wasser. Ich habe ein kleines Boot und gehe angeln – das ist für mich ein wichtiger Ausgleich.

Wo siehst Du Dich in 5 Jahren?
Ganz ehrlich: Ich hasse diese Frage. Das ist so eine typische Manager-Frage, und eigentlich möchte ich sie gar nicht beantworten. Aber wenn ich nach vorne schaue, dann vielleicht so: In fünf Jahren habe ich mich hoffentlich soweit etabliert, dass ich meine eigene Fernsehsendung habe – eine Plattform, auf der ich die Schönheit der Pilze zeigen und ihre Bedeutung viel stärker in die Gesellschaft tragen kann. Und vielleicht ist es bis dahin auch gelungen, Pilze im Umweltschutz sichtbarer zu machen, sodass sie endlich als das wahrgenommen werden, was sie sind: ein zentraler Baustein im großen Ganzen.
Was fällt Dir zu folgenden Stichwörtern ein?
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Social Media:
Media Fluch und Segen zugleich. Es bringt enormen Stress, aber ohne Social Media wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Man muss es machen – und es hat mir viele Türen geöffnet -
Musik:
Ich bin ein riesiger Musik-Lover und bilde mir ein, einen ziemlich guten Musikgeschmack zu haben – das sagen mir jedenfalls meine Freunde schon seit über 25 Jahren. Früher habe ich sogar selbst aufgelegt, unter anderem im Golden Pudel Club in Hamburg. Musik ist für mich eine treibende Kraft im Leben. Ohne Musik würde ich vieles nicht so intensiv fühlen. Je nach Stimmung höre ich alles: mal depressiv, mal pushend, Hip-Hop, Elektro, Soul – eigentlich querbeet.
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Vorbilder:
Ich habe keine klassischen Vorbilder, weil ich es nicht mag, Menschen zu glorifizieren. Am Ende sind es alles nur Menschen – und ich habe mit vielen Stars gearbeitet, die oft weniger beeindruckend waren, als man denkt. Für mich definiert sich Vorbildsein nicht über Bekanntheit oder Reichtum, sondern über ein erfülltes Leben. Vorbilder sind für mich Menschen, die lange Freundschaften pflegen und zufrieden alt werden – wie meine Großeltern. Oder die Pilze selbst, die für mich oft mehr Vorbild sind als Menschen. Inspiration Inspiration entsteht für mich fast immer im Austausch. Ich finde es großartig, so viele Menschen kennenlernen zu dürfen.
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Inspiration:
nspiration ist immer etwas Gegenseitiges: In meinen Kursen inspiriere ich andere – aber genauso lassen sie mich inspiriert zurück. Wir können nur voneinander lernen. Wichtig ist, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, offen zu bleiben und auch auf die Jugend zu schauen. Den Jungen gehört die Zukunft. Wer inspiriert bleiben will, darf nicht stehenbleiben.
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Abenteuer:
Abenteuer Für mich ist jeder Waldbesuch ein Abenteuer. Ich liebe Mikroabenteuer, die nicht in der Ferne warten, sondern direkt vor der Haustür. Einfach in den Wald gehen, sich treiben lassen und schauen, was kommt. Aber natürlich bin ich auch ein großer Abenteurer, was das Reisen betrifft. Dieses Jahr war ich drei Wochen in Neuseeland unterwegs, mit dem Bus, einfach treiben lassen. Oder Angeln auf den Andamanen in Indien – richtig wild. Abenteuer heißt für mich: draußen sein, Natur erleben, Neues entdecken.

WITH MUSH LOVE 🍄
Danke Moritz
Instagram Moritz: intothewoods_mushroom
Into the Woods Website: https://www.intothewoods-mushrooms.com
Jeckybeng x Into the Woods Pilz-Workshop