Ich war schon als Kind immer draussen, Skifahren im Winter, vom Frühling bis zum Herbst folgten wir dem Geruch der Pilze, mein Bruder, meine Eltern und ich. Kleine Wanderungen dem Thunersee entlang, nichts Spektakuläres, bisschen baden, bisschen Feuer machen, mal fingen wir einen Fisch, mal fingen wir keinen.
Aber ein Einsiedler bin ich nicht. Ich mag die flirrende Energie New Yorks, ich mag Zürich, ich habe für ein paar Monate in einer Plattenbausiedlung am Rande Leipzigs gelebt – und es war grossartig. Ich mag Menschen, mag nur keine Massen, keine Shoppingzentren, keine Rollentreppen. Zu viel Plastik stösst mich ab, Holz und Steine sind mir lieber. Jemand, der mir ganz nahe ist, nannte mich mal einen Waldmenschen. Ich denke, dass trifft es ziemlich gut.
Meine Kamera ist mein Begleiter, aber ich gehe nicht raus, um Bilder zu suchen. Ich war schon Wochen unterwegs, ohne ans Fotografieren zu denken. Selbst wenn ich auf Bären treffe, zücke ich meine Kamera nur selten — Bärenbilder gibt es doch so viele. Ich kann das nicht. Ich will das nicht. Meine Bilder entstehen einfach. Plötzlich verdichtet sich etwas. Ein Moment. Ein Gefühl.
Viele sagen, meine Bilder würden eine solche Ruhe ausstrahlen, aber für mich sind sie voller Leben: Ich kenne ihre Geschichten, weiss noch, wo ich stand und wie es da roch; weiss, ob mich Mücken auffrassen oder starker Wind wehte. Manchmal geschieht auch tagelang nichts. Man kann das nicht steuern. Man kann die Natur nicht zwingen, diese Ruhe musst du aushalten können. Warten. Sein. Ich gehe dann Holz suchen, mach Feuer, koche Wasser ab, bereite mich vor für die Nacht, les ein paar Seiten in einem Buch. Ich habe schon Jahre auf ein ganz bestimmtes Bild gewartet.
Wenn ich eine Sache gelernt habe vom Fischen, dann die: Du kannst die teuerste Angel kaufen, kannst den richtigen Köder wählen, die perfekte Stelle, die perfekte Zeit, doch darauf, dass der Fisch anbeisst, gibt es keine Garantie. Diese Ungewissheit fasziniert mich. Das ist, was ich mit meinen Bildern einfangen möchte, die Unzähmbarkeit.
(Bruno Augsburger, März 2014)